Hier sind Bücher aus der Zeit um 1840 - 1900 behandelt,  als das Holzschliff - Papier und die Drahtheftmaschine erfunden wurde.

Mit diesen Erfindungen war zwar nun eine preiswerte Massenherstellung von Büchern gegeben, doch die Folgen dieser Erfindungen konnte man nicht voraussehen. Beides sind Ursache für den oft schlimmen Zustand der Bücher aus dieser Zeit.

Der Ligningehalt des Holzpapiers crackt im Laufe der Zeit die Struktur der Zellulose, was zu Brüchigkeit des Papiers führt - abgesehen mal von der schnellen Vergilbung. Die rostenden Stahlklammern der Drahtheftung tun ein übriges und "zersägen" die brüchig gewordenen Bünde, was letztendlich zum völligen Zerfall des Buches führt.

Ein Restaurieren im eigentlichen Sinne ist kaum möglich, denn der Zefall des Papiers kann nicht aufgehalten werden. Nur in Ausnahmefällen ist eine aufwändige Neubindung sinnvoll (siehe Kapitel Restaurierung/Kochbuch-Wälzer anno 1900)

Doch oftmals möchte man - es ist ja auch oft erhaltenswerte Zeitgeschichte, diese Bücher wenigstens einigermaßen wiederherstellen. Hier einige Beispiele, wie ich solche Bücher "repariert" habe.

Zwei alte Kochbuch - 'Schwarten'

Zwei völlig zerfallene Exemplare aus derr Zeit Ende 18. Jhd. - wie üblich Stahlklammerbimdung. Vom Wert  her lohnt es nicht. Doch sie gehören - einst aus einem Nachlass erhalten - zu meiner Kochbuchsammlung

So will ich sie vor der Tonne retten und sehen, was ich da noch machen kann. - von restaurieren kann ich da nicht sprechen - nur von reparieren.

1. Exemplar:

Koch-ABC der bürgerlichen Küche Von Maria Ludolfs

Dieses Kochbuch ist insofern interessant, weil es (angeblich) eine Mutter für ihre Tochter - während diese sich auf der Hochzeitsreise befand - geschrieben hat. Es ist, im Gegensatz zu anderen bekannten Kochbüchern, die in unzähligen Auflagen gedruckt wurden,  nur in einer Auflage erschienen,

Das Holz-Papier morsch und brüchig. Die verrosteten Drahtklammern hatten ganze Arbeit geleistet und nahezu alle Bünde zersägt, sodass das Buch völlig auseinandergefallen ist.

Die durchsägten Bünde müssen abgeschnitten werden - Neubindung dann nur mit Lumbecken möglich.

 Als erstes hab ich beide Deckel für später gescannt und den Scan optisch ausgebessert. Dann ging's an die Arbeit.

  • Alle Stahlklammern restlos entfernen – die einzelnen Lagen aufklappen und auf Reste prüfen, damit beim Beschneiden nicht das Messer beschädigt wird!

  • Am Rückens 4 mm abschneiden.
  • Dann Lumbecken.
  • Gaze aufkleben.
  • Über Nacht in die Presse.

Nun einfache Vorsätze aus „Leipziger Vorsatzpapier Lilie Grün“ herstellen und mit 3 mm Klebekante aufleimen.

  • Abpressen.
  • Nach dem Abpressen beschneiden. An Kopf und Schwanz 4 mm, vorn 7 mm.

Versucht, den Buchblock etwas zu runden – mit mäßigem Erfolg. Der Buchblock hat jetzt die Maße 17,2 x 11,4 cm.

Nun den Einband herstellen.

  • 2 Deckelpappen 17.5 x 11,8 cm aus 2 mm Graupappe zuschneiden.
  • Rücken 17.5 x 3 cm (Stärke des Buchblocks plus Deckelpappen) – aus 1 mm Pappe.

Das gescannte Titelbild und Rückseite musste auf die neuen Maße des beschnittenen Buches verkleinert werden. Dann auf 110er Papier ausgedruckt

    • Nun den Einband anfertigen  die Deckel beziehen,  Dann in die Presse und über Nacht trocknen lassen

Nach dem Fertigstellen sieht es ja ganz ordentlich aus. Wie dauerhaft die Lumbeck-Bindung die morschen Seiten halten wird, sei dahingestellt.

Aber so kann ich es meiner Kochbuchsammlung wieder beifügen.

*

 

2. Exemplar:

Praktisches Kochbuch Von Henriette Davidis

Davidis-Kochbücher gibt es wie Sand am Meer. In unzähligen Auflagen erschienen. Bis heute immer wieder nachgedruckt - und "angepasst an die moderne Zeit". Aber dieses ist ein altes Exemplar von 1890 - das möchte ich gern erhalten.

Der Einband hat großen Feuchtigkeitsschaden. Der Buchblock mit Drahtklammerheftung - wie üblich bei Massenauflagen aus dieser Zeit.

Die Drahtklammerheftung will ich beibehalten, da noch ganz i.O. und das Papier ist noch von relativ guter Qualität - kaum lose Seiten. Also los geh's.

  • Buchrücken eingespannt, angenässt und mit Messingbürste von Papier- und Leimresten gesäubert.
  • aufgebogene Drahtklammern zurückgebogen.

Zwei Seiten, die nicht mehr zu reparieren waren, wurden eingescannt und auf „altem“ Papier neu ausgedruckt.

  
  • Nun wurde der Rücken mit Leim eingestrichen, etwas einmassiert und glattgestrichen.
  • Trocknen – mit Föhn nachgeholfen, um neue Rostbildung der Klammern zu verhindern.
  • Angetrockneten Rücken nachgeformt.
  • Mit Gaze hinterleimt – Föhn.
  • Über Nacht austrocknen lassen.

Klar - dass hier beschnitten werden muss.

   • Vorher die beiden neugedruckten Seiten eingefügt
  • und einfache Vorsätze aus „Leipziger Vorsatz / Blumen/Punkte“ angefertigt und angefügt.
Am Schwanz will ich 3 mm abschneiden und an der Vorderkante 4 mm.
Man darf beim Beschneiden auch nicht zuviel wegnehmen und muss beachten, dass dadurch die Symmetrie des Satzspiegels beeinflusst wird.
Da mein Stapelschneider nur bis 25 mm schneiden kann, kam bei diesem Buch mein selbstgebastelter Beschneidhobel zum Einsatz. (siehe Kapitel „Beschneidhobel“).
Ein glatter Beschnitt des Buchblocks dient nicht nur der Ästhetik, sondern verhindert auch das Eindringen von Staub zwischen die Buchseiten. Vor allem sind die Ränder durch die Alterung besonders anfällig für Risse.

Nach dem Beschneiden wurden Kapitalbändchen aufgeleimt und eine Hülse angefügt.

Über Nacht getrocknet, ist Der Block fertig.

Nun zum Einband.

Ich wollte einen Teil des geprägten Deckelbildes erhalten.
Auf einen Pappdeckel in der gleichen Stärke (1,2 mm) wurde der Umriss der ausgeschnittenen Prägung nachgezeichnet und mit ½ mm Zugabe ausgeschnitten.
Dann wurde der Deckel mit braunem Leinen bezogen.
 • Pressen und trocken lassen.
 • Nun innen den Bezug mit ½ mm Zugabe ausgeschnitten.
Die „Zugabe“ mit Leim bestrichen und die Prägung von vorn eingedrückt und verrieben.
  • Pressen und kurz antrocknen lassen.
Dann wurde ein zweiter Pappdeckel gleicher Größe hinten aufgeleimt.
 • Pressen, trocknen.
Danach der Bezug nach hinten umgeschlagen und verleimt.

Der vordere Deckel ist nun fertig bezogen. Darum gestaltete sich die Herstellung des Einbandes etwas anders wie üblich.
So musste, umgekehrt der normalen Vorgehensweise das Rückenleder  auf den Bezug aufgeleimt werden. Zuerst auf den vorderen Deckel - etwa 7 mm.
  • Scharf pressen und trocknen lassen.
Dann wurde hinten ein Kraftpapierstreifen aufgeleimt – großzügig bemessen, denn die endgültige Breite kann – wie ebenso beim Leder – erst nach einlegen des Buchblocks bestimmt werden.

Den gewölbten Papprücken und den Buchblock eingelegt, Markierungen anzeichnen – das gestaltete sich ziemlich schwierig. Es musste ja der Überstand der Deckel und der Falz berücksichtig werden.

Dann das Kraftpapier passend beschneiden und an den hinteren Deckel innen anleimen.
Den gewölbten Papprücken mittig einleimen, anreiben. Danach das Leder passend beschneiden, schärfen und aufleimen.
  • Mit dem Falzbein die Falze scharf einreiben.
  • Das Leder auf den hinteren Deckel scharf einpressen.
Über Nacht in der Presse trocknen lassen.

Das klingt alles ziemlich umständlich - und ist es auch. Aber diese unübliche Methode war in diesem Falle notwendig.

Der Einband ist nun fertig zum Einhängen des Buchbocks.

Und mit dem Ergebnis bin ich ganz zufrieden

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Drei Bände "Bunte Bilder aus dem Sachsenlande"
Band I., II und II, 1908 - 1912  –   über 100 Jahre alte Nachschlagewerke, die ich erhalten möchte.

Ursache dieses Zustandes ist hier zusätzlich eine mangelnde Qualität der buchbinderischen Verarbeitung.

Alle Vorsätze sind abgerissen, weil der relativ schwere Buchblock mit minderwertigen Materialien eingebunden wurde.  Der Rücken z.T. ganz abgerissen. Beim dritten Band zusätzlich lose Bünde und Seiten.
Papierqualität ist nicht schlecht. Die Drahtklammerheftung zwar verrostet aber noch relativ stabil – die will, bzw. muss ich so belassen.

Alle drei Bände in ähnlich schlechtem Zustand - so gleicht sich auch die Wiederherstellung:

Als erstes die eingerissenen Vorsätze wieder mit der Gaze verklebt. Dann am Rücken der Deckel den Kalikobezug etwa 1cm vorsichtig abgezogen und je einen 3cm breiten Shirtingstreifen für die Anbindung des abgerissenen Einband-Rückens eingeleimt und 1 Std. in die Presse.

• Derweil den abgerissenen Rücken von der morschen Fütterung versäubert.
• Und dann mit dünnem Karton neu kaschiert.

Danach erstmal beide Scharniere mit 1cm breiten Shirtingstreifen verstärkt.
Folie zwischenlegen und leicht pressen – trocknen lassen.

Nun das Buch wieder eingespannt und den Rücken gut mit Planatol BB eingeschmiert. Zur Stabilisierung bekommt der Buchblock noch Kapitalbändchen und eine Hinterklebung mit Kraftpapier.

Einen Kraftpapierstreifen in der Rückenbreite und Länge zugeschnitten.
Einen Folienstreifen als Klebschutz-Unterlage auflegen, dann den Kraftpapierstreifen auf den Rücken gelegt und rechts und links die Shirtingstreifen aufgeleimt. Antrocknen lassen.


Danach den losen Einband-Rücken aufgeleimt und die Ränder mit dem Falzbein gut glattgerieben, Über Nacht trocknen lassen  – fertig!

Auf diese Weise alle drei Bände repariert.

Es ist zwar noch etwas optische Aufbesserung vonnöten,
doch sie sind nun erstmal wieder gebrauchsfähig!

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