Wiederherstellung eines zerfallenen Märchenbuches Auch bei diesem Buch von 1874 werden alle Sünden der industriellen Buchherstellung im ausgehenden 19.Jhd. sichtbar und sind Hauptursache für den totalen Zerfall des Buches.
Die Ursachen habe ich im Restaurierungsbericht des Kochbuch-Wälzers ausführlich beschrieben - die Drahtklammerheftung und das ligninhaltige Holzpapier . Ein solches Fragment kann nur durch Beseitigung der Beschädigungen und eine Stabilisierung des Gesamtverbandes - d,h. eine Handbindung - wieder für eine vorsichtige Weiternutzung tauglich gemacht werden. Für eine vorsichtige Nutzung – denn das Papier bleibt brüchig!
Zuerst wird das Buch vollkommen auseinander genommen. Drahtklammern und Leimreste entfernt. Die Hauptarbeit der Ausbesserung besteht auf das Verkleben von Rissen, damit sie nicht weiter laufen. Stabilisierung von Knicken und Eselsohren. Fehlende Papierteile werden mit Japanpapier ergänzt.
Die losen oder fast losen Blätter werden mit Fälzelstreifen aus Japanpapier wieder zusammengefügt.
Inzwischen wird das Titelbild vom Einband-Deckel eingescannt, am Computer ausgebessert und neu gedruckt, denn es ist zu beschädigt, als dass es abgelöst und wieder verwendet werden könnte.
Vorgesehen ist eine Fadenheftung auf eingesägte Bünde – eine sehr dauerhafte stabile Bindung. In der Buchbinderpresse eingespannt werden am Rücken des Buchblocks die Einschnitte für die Hanfkordeln eingesägt.
Die Bünde werden in der Heftlade verspannt und nach den Einschnitten im Buchrücken ausgerichtet. Beginnend mit der letzten Lage wird nun mit Nadel und Garn Lage für Lage mit den senkrechten Heftkordeln verbunden.
Am Schluss werden die Bünde bis auf 20 mm abgeschnitten und an den Enden aufgefasert, damit sie sich schön flach aufkleben lassen. Nun kommt der Buchblock für 12 Stunden in die Presse. Inzwischen werden aus 2 mm starkem Schrenz (Graupappe) neue Buchdeckel zugeschnitten. Mit der Rückeneinlage für den hohlen Rücken und dem Rückenleder verbunden entsteht der neue Bucheinband.
Rückenleder und Leder-Ecken aus dunkelblauem Ziegenleder sorgen für einen hohen Gebrauchswert.
Überhaupt ist Leder der am besten geeignete Werkstoff für Bucheinbände.
Zum Schluss wird der neu gedruckte Titel aufgezogen.
Nach dem Trocknen ist die neue Buchdecke fertig zum Einhängen des Buchblocks.
Der Buchblock wird nun neu beschnitten, wodurch die zerstörten Seiten-Kanten mit verschwinden und der Buchblock wieder glatt und geschlossen gegen das
Eindringen von schädlichen Einflüssen geschützt ist. Aus gleichem Grund erhält der Buchblock noch eine Schnittfärbung.
Der Buchblock fertig zum „Einhängen“ in den Einband.
Das Einhängen des Buchblocks in die Decke ist der letzte
Arbeitsgang. Der etwas missverständliche Begriff bedeutet, dass das Schirting-Scharnier mit den daraufgeleimten Bünden, nebst den Vorsatzblättern angeschmiert (mit Leim bestrichen) und fest mit den Deckeln verbunden wird. Der Rücken wird nicht verklebt, bleibt aus den schon erwähnten Gründen
lose und bildet den notwendigen
Hohlen Rücken,
wie im Kapitel
Das Buch
beschrieben.
Und dann ist es endlich fertig
Das ist der Weg, wie ein weitgehend schon zerstörtes Buch mit etwas Aufwand gerettet werden kann. Die Besitzerin – eine alte Dame – nahm es glücklich in die Hand und es wird sicherlich einen Ehrenplatz im Bücherschrank erhalten. Es war nämlich das Lieblingsbuch ihrer Kindheit - und schon sie hatte es von ihrer Großmutter bekommen... Wird solche Gefühle jemals ein eBook auslösen können... * |