Kochbuch - Anno 1900 Bei diesem Kochbuch von werden die Sünden der industriellen Buchherstellung im ausgehenden 19.Jhd. katastrophal sichtbar und sind die Ursache für den totalen Zerfall. Als weitere zerstörende Ursache kam die unsachgemäße „Wiederherstellung“ des Bandes hinzu.
Warum diese Bücher aus
dieser Zeit so zerfallen? Dafür gibt es zwei Ursachen. Papier besteht
hauptsächlich aus Zellulosefasern, die miteinander verfilzt sind. Bis ca. 1860 wurde Papier ausschließlich aus der Zellulose von Hadern (Lumpen) hergestellt. Durch den immer größere Bedarf an Druckerzeugnissen wurden diese Rohstoffe immer knapper. Einzelne Länder erließen sogar strenge Ausfuhrverbote für Hadern und Lumpen!
Zu dem instabilen Zustand des verwendeten Holzpapiers kommt nun noch eine zweite Sünde der damaligen Zeit: Die Erfindung der
Drahtheftmaschine
.
Bei diesem Kochbuch kam nun als dritte Sünde noch hinzu, dass es schon mal notdürftig und unfachgemäß - z.T. mit Tesafilm - „repariert“ wurde. Als "Einband" wurden einfach neue Pappdeckel mit grünem Kunststoff überzogen und mit Gaze hinten an den Buchblock angeklebt. Die dadurch eingebrachte Feuchtigkeit verhalf dem Rost an den Eisenklammern noch mal richtig zum Leben. Ein solches Fragment kann, wie gesagt, nur durch Beseitigung der Beschädigungen und eine Stabilisierung des Gesamtverbandes durch Handbindung wieder für eine vorsichtige Weiternutzung tauglich gemacht werden. Eine vorsichtige Nutzung – denn das Papier bleibt brüchig! Zuerst werden die Drahtklammern aufgebogen und nach innen herausgezogen, Leimreste am Rücken entfernt und das Buch völlig auseinander genommen.
Sehr viel Zeit beansprucht das Entfernen der
vorherigen dilettantischen Reparaturversuche.
Die Ränder sind durch Luftfeuchtigkeit, Licht und Sauerstoff besonders brüchig und zerfallen schon beim Anfassen.
Eine Hauptarbeit der Ausbesserung besteht im Verkleben von Rissen, damit sie nicht weiter laufen, sowie der Stabilisierung von Knicken und Eselsohren. Fehlende Papierteile werden mit Bruchstücken ähnlichen Papiers und Japanpapier ergänzt.
Die losen oder fast losen Blätter werden mit Fälzelstreifen aus Japanpapier zusammengefügt, damit wieder ein heftfähiger Falz entsteht. Langsam wird aus den losen Blättern wieder ein Stapel intakter Seitenlagen.
Am Ende ist wieder ein vollständiger Lagen-Block daraus geworden und wird nun 12 Stunden in der Presse geglättet. Danach werden in den fest eingespannten Buchblock am Rücken Rillen eingesägt und gefeilt, die die Heftkordeln aus Hanf aufnehmen sollen. Die schmalen Rillen an Kopf und Schwanz dienen zur Aufnahme der Fitzbünde, wo der Heftfaden in die nächste Lage geführt wird.
In der Heftlade werden die Hanfkordeln senkrecht verspannt, sodass sie genau in den eingefeilten Vertiefungen liegen.
Lage für Lage wird nun mit Leinenzwirn auf die Bünde geheftet. D.h. um die Bünde herumgeführt - nicht etwa mit ihnen vernäht. (s. auch Kapitel Heftlade ). So entsteht eine feste, aber bewegliche Verbindung - Voraussetzung für eine dauerhafte Nutzung.
Der fertig geheftete Buchblock wird aus der Heftlade genommen, gepresst und die Bünde straff gezogen. Danach werden sie auf 2 cm gekürzt, aufgefasert und flach auf den Leinen-Scharnierstreifen der Vorsatzlage geklebt. Gerade dicke und schwere Bücher benötigen eine Verstärkung der Vorsatzlagen mit einem Leinenstreifen. Sonst hängt die ganze Last des Buchblocks an den papiernen Vorsätzen – wie lange wohl…
Nach dem Trocknen der Verleimung wir der Buchblock mit dem Stapelschneider an drei Seiten gerade geschnitten. Das geschieht nicht nur aus ästhetischen Gründen. Durch den glatten Schnitt bildet der Buchblock nach außen eine geschlossene Fläche, in die nicht so leicht Staub und Schmutz eindringen kann. Dem selben Zweck dient, unter anderem, auch die spätere Schnittfärbung. Mit Hammer und Geschick wird der Buchblock nun gerundet und in der Presse der Falz angehämmert. Die Notwendigkeit dieser Formgebung habe ich in dem Kapitel Das Buch dargelegt.
Das Einleimen des Buchrückens und Hinterkleben mit Natronpapier stabilisiert diese Form nun dauerhaft. Der Block muss nun 12 Stunden in der Presse bleiben.
Inzwischen werden aus Graupappe die neuen Buchdeckel zugeschnitten. Der Rücken bekommt durch aufgeklebte Pappstreifen, die sich durch Abschnüren in dem Rücken-Leder markieren, sogenannte falsche Bünde.
Das ist eine rein ästhetische Maßnahme - unser Auge will die Fläche des Buchrückens quergeteilt sehen, so, wie es seit Jahrhunderten durch die echten Bünde geschult ist. Selbst bei billigen Büchern - ab einer gewissen Stärke – wird dem Rechnung getragen - und wenn es nur ein paar eingeprägte Linien sind.
Zur Gestaltung des Buchtitels wird vom Innentitel ein Scan gezogen und damit das Bezugspapier für die Deckel bedruckt.
Nach dem Beziehen der Rohdecke mit dem Bezugspapier, ist die Einband-Decke fertig zum Einhängen des Buchblocks. Als Einhängen bezeichnet der
Buchbinder das Verbinden der Decke mit dem Buchblock.
Dann kommt das Buch in die Presse. Wo sich der Falz befindet, werden zur Vertiefung desselben dünne Stahlstangen eingelegt - siehe Pfeil.
Nach 24 Stunden kann es aus der Presse genommen werden. Ist alles gut gelungen sieht das so aus - das Buch ist nun fertig!
Allerdings - ganz fertig ist das
Ganze doch noch nicht. Das Kochbuch soll als solches auch weiterhin genutzt werden. Darum habe ich, gewissermaßen als zusätzliche Erhaltungsmaßnahme, den in einem Kochbuch am meisten strapazierten Teil - die Registerseiten - eingescannt und daraus ein Beilagebändchen gedruckt. So muss nicht bei jedem Suchen nach einem Rezept der ganze schwere Band beansprucht werden.
Das Kochbuch ist nun endgültig fertiggestellt und kann weiteren Generationen zum nützlichen Gebrauche dienen. Zum vorsichtigen Gebrauche, denn, wie schon gesagt – das Papier bleibt brüchig. So wird es hoffentlich noch weitere hundert Jahre überdauern. *
P.S. Drahtheftmaschinen werden heute nicht mehr für die Buchherstellung verwendet.Inzwischen gibt es hochleistungsfähige Fadenheftmaschinen. Natürlich nicht auf echte Bünde - das bleibt der Handbuchbinderei vorbehalten.
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